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Norbert Huber: Das Gegenteil von Heavy Metal

Was bewegt Werkstoffforscher Prof. Norbert Huber?

Prof. Norbert Huber

Foto: Hereon/Christian Schmid

Prof. Norbert Huber is a director at the Institute for Materials Research.

Seine Laufbahn verdankt Professor Norbert Huber (49) süddeutschem Fleiß, einer Leidenschaft für Technik – und einer verblüffenden Fähigkeit, die (mindestens) sieben Zufälle seines Lebens in Chancen zu verwandeln. Wer mit Norbert Huber redet, hört es an seiner Sprachmelodie: Er stammt nicht aus Hamburg. Seine Heimat ist ein Dorf in der Nähe von Baden-Baden. Schon früh interessiert er sich für Technik. Er bastelt kleine Maschinen und sogar ein eigenes Radio – mit Baukästen, die ihm, Zufall Nummer eins, sein Onkel schenkt. Dass er nach der Realschule nicht wie geplant Elektriker wird, sondern das Technische Gymnasium besucht, verdankt er Zufall Nummer zwei: Norbert Huber spielt Tenorhorn im Musikverein, und sein Lehrer Fridolin Boos sagt ihm: „Du musst mehr aus dir machen!“ In der 13. Klasse entdeckt er seine Leidenschaft für mechanischen Geräte, für „Dinge, die sichtbar ineinandergreifen und funktionieren“. Also beschließt er, Maschinenbau zu studieren.

Zuvor muss Norbert Huber jedoch zur Bundeswehr, wo er, Zufall Nummer drei, beim Musikkorps landet. „Ich habe dort ein Jahr lang jeden Tag Musik gemacht, das war ein Traum.“ Nach seiner Rückkehr wird er im Musikverein Vizedirigent. „Dabei habe ich gelernt, wie man eine Gruppe führt. Das wird einem in der Wissenschaft ja selten beigebracht.“

Eigentlich plant er nach dem Studium mit einem Job in der Industrie. Bis Hubers Freundin und heutige Ehefrau ihm eine Vorlesung über Materialforschung empfiehlt – Zufall Nummer vier. „Das gefiel mir so gut, dass ich in diesem Bereich meine Wahlpflichtprüfung gemacht habe. Nach der Prüfung hat mich der Professor direkt gefragt, ob ich bei ihm promovieren will.“ Norbert Huber sagt zu. Auch der Gegenstand der Dissertation steht bereits fest: Sein Professor hat ein neues Gerät für sein Institut bekommen, mit dem sich bis dahin niemand intensiv beschäftigt hat – Zufall Nummer fünf. Es handelt sich um einen Nanoindenter. Mit einer extrem scharf geschliffenen Diamantspitze misst er Härte und Steifigkeit dünner Schichten, ein Verfahren, das Hubers Forschung und das seines Instituts bis heute begleitet.

Auch beim Thema seiner Habilitation am Karlsruher Forschungszentrum hilft ihm ein Zufall – bereits der sechste seiner Laufbahn: Bei einem Gastvortrag hört Huber vom damals neuen Verfahren des Machine Learnings.

„Mir war sofort klar, dass dieser Methode die Zukunft gehört."

Seit diesem Tag kombiniert Norbert Huber experimentelle Forschung mit theoretischen Modellen und künstlicher Intelligenz. Nach einer Zeit in Stanford und als Abteilungsleiter in Karlsruhe landet Norbert Huber 2006 in Geesthacht – Zufall Nummer sieben. Denn als er sich bewirbt, hat er bereits ein Angebot der Uni Siegen vorliegen. Sein kurzfristig entwickeltes Konzept? „Ich wollte am Institut Experiment und Modellierung miteinander verknüpfen. Diese gegenseitige Befruchtung von Versuch und Theorie – das finde ich unglaublich gewinnbringend. Überhaupt glaube ich, dass neue Ideen bevorzugt dort entstehen, wo unterschiedliche Disziplinen aufeinandertreffen.“

„Das inhaltliche Leitbild des Instituts: Wir wollen - vor allem für die Luftfahrt - Leichtbaustrukturen entwickeln, die mindestens 20 Prozent weniger wiegen als das, was derzeit üblich ist."

Aluminium, Magnesium oder Titan spielen dabei eine Rolle. Gewicht spart aber auch die Art, wie Bauteile verbunden werden. Etwa durch das Rührreibschweißen, das an Norbert Hubers Institut erforscht wird. Bei diesem Verfahren braucht man weder Nieten, noch überlappende Strukturen oder Dichtmassen. Und man vermeidet die Nietlöcher, von denen häufig Risse ausgehen.

Wie kann man Schäden am Rumpf eines Flugzeugs frühzeitig erkennen? Die Antwort ist so etwas wie Norbert Hubers Lebensprojekt: Seit Ende der 90er Jahre erforschen seine Kollegen, allen voran Abteilungsleiter Jörg Weißmüller, einen besonderen Stoff: nanoporöses Gold. „Das ist ein offenporiges Material, vergleichbar mit einem Schwamm, das bei Verformung ein elektrisches Signal erzeugt.“ Die Vision: Nanoporöses Gold – oder ein entsprechendes Material aus Titan – könnte die Haut eines Flugzeugs überziehen und präzise melden, sobald sich Risse bilden. „Diese Idee einer Strukturüberwachung wirklich fliegen zu sehen, das würde mich mit Stolz erfüllen.“

Neben seiner Arbeit als Institutsleiter und Professor ist Norbert Huber auch Vorstandsmitglied eines von ihm mitgegründeten Sonderforschungsbereichs sowie Direktor des Zentrums für Hochleistungsmaterialien. Aus dem Tüftler vom Rand des Schwarzwalds ist ein Manager der Wissenschaft geworden. Wie passt das zu seiner Leidenschaft für Getriebe? „Wenn ein Zahnrad ins andere greift, dann fasziniert mich das – egal, ob es sich um eine Maschine handelt oder um eine Organisation. Komplexe Gebilde zum Funktionieren zu bringen, ist eine eigene Form der Wissenschaft, mit der ich mich intensiv beschäftige.“

Doch so ganz ohne das Basteln geht es nicht. Kürzlich hat sich Norbert Huber ein altes, bereits aufgegebenes Tenorhorn restauriert. „Ich habe mir gesagt: Mal sehen, ob ich das nicht wieder in Gang kriege. Ich habe es komplett zerlegt, Löcher zugelötet, die Maschine poliert. Jetzt kann man es wieder spielen. Und wissen Sie was? Es klingt sogar richtig gut.“

Prof. Norbert Huber spielt auf seinem selbst restaurierten Tenorhorn das Stück "Mignong" von Ludwig v. Beethoven. Video: Hereon/Christian Schmid


Autor: Jochen Metzger
Porträt aus der in2science #5 (Dezember 2017)