Institut für Metallische Biomaterialien
Die Lebenserwartung der Bevölkerung nimmt zu, außerdem betreiben immer mehr Menschen risikoreiche Sportarten. Vor diesem Hintergrund entwickelt das Institut für Metallische Biomaterialien neuartige Werkstoffe für medizinische Implantate auf Basis von Titan und Magnesium. Ein Ziel besteht darin, die Biokompatibilität von dauerhaft eingepflanzten Titan-Implantaten zu verbessern, indem wir nicht-toxische Legierungen entwickeln und die Materialien an die mechanischen Eigenschaften des Knochens anpassen. Einen weiteren Schwerpunkt bilden Magnesium-Legierungen, die sich mit der Zeit im Körper abbauen. Indem wir den Legierungen pharmazeutisch aktive Elemente wie antimikrobielles Silber beifügen, sollen während des Magnesiumabbaus neuartige Regenerations- oder Therapieeffekte wirksam werden. Unsere Arbeiten decken die gesamte Prozesskette ab, inklusive Untersuchungen in Tiermodellen sowie der intensiven Nutzung von In-situ-Methoden.
MB beim Deutschen Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie 2024
MB Messestand auf dem DKOU
v.l.n.r.: Dr. Vasyl Haramus, Dr. Heike Helmholz, Dr. Domonkos Tolnai, Dr. Thomas Ebel, Prof. Dr. Norbert Hort
Der diesjährige Deutsche Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie, lt. eigener Aussage "Der bedeutendste Kongress des Faches Orthopädie und Unfallchirurgie in Deutschland und auch europaweit der größte auf seinem Gebiet", fand in der Woche vom 22.- 25. Oktober in Berlin auf dem Messegelände statt. Wir haben diese Gelegenheit genutzt und mit einem Messestand den Orthopäden, Medizinstudenten, und Vertretern der Industrie für Herstellung und Vertrieb von Implantaten unsere Mg-basierten Biomaterialien und deren Herstellungsprozesse nähergebracht.
Abgesehen von der gut besuchten Messe gab es spannende Vorträge zur Behandlung und Geweberegeneration bei Knochenfrakturen und Gelenkerkrankungen. Dabei waren neue Biomaterialien ebenso ein Thema wie die Folgen von periprosthetischen Infektionen und anderen Begleiterkrankungen. Der Anwendung von Mg-Implantaten war eine eigene Industrie-Session gewidmet.
website Deutscher Kongress für Orthopädie und Unfallchirurgie
CAU, Hereon und UKSH vereinbaren Kooperation für digitale Implantatforschung
Die Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU), das Helmholtz-Zentrum Hereon und das Universitätsklinikum Schleswig-Holstein (UKSH) schließen sich zum Thema Digitale Implantatforschung zusammen. Ziel dieses interdisziplinären Vorhabens ist es, die Implantatentwicklung mithilfe der Kombination von Biomaterialforschung, Datenwissenschaften sowie KI- und medizinischer Forschung auf ein neues Niveau zu heben.
Zuversichtlich und voller Vorfreude nach dem erfolgreichen Gründungssymposium am 10. Juni 2024 in Kiel: Die Mitglieder des Gründungsteams (v. l. n. r.) Prof. Cyron, Prof. Checa, Prof. Jansen, Prof. Saalfeld, Prof. Deuschl, Prof. Willumeit-Römer und Prof. Quandt. Weitere Mitglieder (nicht abgebildet): Prof. Tomforde und Prof. Popp.
Prof. Dr. Regine Willumeit-Römer, Mit-Initiatorin der Kooperation und Direktorin des Instituts für Metallische Biomaterialien am Hereon: „Die Zukunft der Implantatentwicklung liegt im Einsatz von Computersimulationsmodellen und künstlicher Intelligenz, die den komplizierten Entwicklungszyklus vom Material bis zur Geweberegeneration abbilden und anschließend in den Zulassungsprozess Eingang finden. Damit können bestehende Implantate verbessert und zu - auf individuellen, molekularen Körper-Eigenschaften basierenden - personalisierten Implantaten weiterentwickelt werden.“ Dabei stehen sogenannte Digitale Zwillinge, die physiologische und materialwissenschaftliche Verhältnisse in Computermodellen abbilden, im Mittelpunkt der Forschung.
Mit Hilfe Digitaler Zwillinge werden neue Implantate zukünftig nicht mehr an der Werkbank, sondern am Hochleistungsrechner entwickelt, und sie werden nicht mehr heuristisch akzeptabel, sondern umfassend optimiert an die medizinischen Notwendigkeiten angepasst werden können.
Der Beitrag des Instituts für Metallische Biomaterialien liegt dabei in der Bereitstellung von Daten zu Mg-basierten und damit abbaubaren Implantaten im biologischen Umfeld, der Durchführung entsprechender Experimente und Simulationen. Außerdem fungiert Prof. Willumeit-Römer als Projektkoordinatorin.
DAAD-Rise-Stipendiatin Janice Xie bei MBB
Janice Xie (Foto: Heike Helmholz)
Janice Xie ist Studentin an der Northwestern University in Illinois, USA, und studiert Materialwissenschaften und Ingenieurwesen mit Schwerpunkt Biomaterialien. In ihrer Zeit bei uns erforscht sie vor allem die Fremdkörperreaktion auf Mg-Li-Legierungen.
zum News Artikel im Hereon Intranet
Überbrückung der Lücke zwischen in vitro und in vivo Abbauraten von Mg-xGd Implantaten
Die mit dem Surrogatmodell berechnete Abbaurate im Vergleich zu den experimentellen Daten. Für die Proben nach 4 und 8 Wochen sind Volumendarstellungen eingefügt
Ist es möglich, den in vivo Abbau von Magnesiumimplantaten auf der Grundlage ihres Abbauverhaltens in vitro vorherzusagen? In unserer Veröffentlichung "Utilizing Computational Modelling to Bridge the Gap between In Vitro and In Vivo Degradation Rates for Mg-xGd Implants" haben wir ein sogenanntes Surrogatmodell entwickelt, das mittels eines rechenintensiveren Computermodell trainiert wird. Durch die Kalibrierung des Surrogatmodells mit experimentellen Datensätzen aus dem in vitro und dem in vivo Abbau von Magnesiumschrauben konnten wir einen Parameter finden, mit dem wir das eine auf das andere übertragen können. In diesem Fall können wir die Diffusionsraten von Mg2+-Ionen in den verschiedenen Systemen miteinander verknüpfen. In Zukunft könnte es möglich sein, die Abbauraten abzuschätzen, indem solche Verknüpfungen zwischen den aus in vitro und in vivo Experimenten abgeleiteten Diffusionsraten durch Surrogatmodelle genutzt werden. Dies würde es uns ermöglichen, Schlussfolgerungen über die in in vivo Abbauraten allein aus in vitro Experimenten zu ziehen.
Zum Artikel Al Baraghtheh et al., Corros. Mater. Degrad. 2023 4(2):274-283 (engl.)
Editor’s Choice Artikel: In-Situ-Synchrotron Diffraktionsstudie von Magnesium-Verbundwerkstoffen
Makroskopische wahre Dehnung (links), Dehnung auf den crystallographischen Ebenen (Mitte) und Intensität (rechts) gegen wahre Spannung für AZ91/C100/5f im extrudierten Zustand
Im Sinne der Nachhaltigkeit in der Automobil- und Luft- und Raumfahrtindustrie ist die Verwendung leichter Materialien. Magnesium ideal: Magnesium ist leicht, hat eine hohe spezifische Festigkeit, gute Umformbarkeit und Gießbarkeit. Diese Eigenschaften sowie die Korrosionsbeständigkeit und Duktilität kann durch die gezielte Legierunsauswahl weiter verbessert werden. Mg basierte Verbundwerkstoffe (MMC) bieten erhöhte Festigkeit, wobei das geringe Gewicht des Matrix-Materials erhalten bleibt. Bei der Wahl der Verstärkung kann auch die Nachhaltigkeit berücksichtigt werden. Recycelte Kohlenstofffasern (rCFs), die aus kohlenstofffaserverstärkten Polymeren gewonnen werden, behalten viele ihrer mechanischen Eigenschaften bei, sind aber günstiger und weniger energieintensiv in der Herstellung als eine Neuproduktion. Als Grundlage für die Entwicklung nachhaltiger Hochleistungsverbundwerkstoffe wurde in der Studie von unserem Institut gemeinsam mit unserem Partnerinstitut für Material- und Prozessdesign und der Universität Cambridge Synchrotronstreuung angewendet, um zu verstehen, wie Wärmebehandlungen und die rCF-Verstärkung die aktiven Verformungsmechanismen während einer Druckbelastung beeinflussen. Die zugehörige Publikation wurde als Editor's Choice Article in Crystals veröffentlicht.
Zum Artikel Mance et al., Crystals 2022 12(11):1502 (engl.)
Helmholtz Imaging 'Best Scientific Image' Wettbewerb 2023: 1. Platz in der Kategorie ,participants choice award'
Magnesium-Aquarellwirbel von Sarkis Gavras (Hereon)
Sarkis Gavras gewann mit seinem Bild eines Magnesium-Aquarellwirbels den ersten Platz beim Best Scientific Image Contest 2023 in der Kategorie „Participants‘ Choice Award“. Dieses optische Bild mit polarisiertem Licht zeigt die Vergrößerung einer Magnesiumlegierung mit einer bunten Anordnung kleiner Körner, die sich am Rand einer wirbelförmigen Pore gebildet haben.
Best Scientific Image 2023 (engl.)
Implantatmaterial und Knochenmorphologie beeinflussen gleichermaßen Implantatstabilität
In unserer aktuellen Veröffentlichung “On the material dependency of peri-implant morphology and stability in healing bone” untersuchten wir das Verhalten von Knochenimplantaten unter Belastung in einer realistischen Umgebung. Dazu wurden an den von Hereon bei DESY betriebenen Strahllinien Push-out-Tests von Schraubenimplantaten aus Titan, PEEK und biologisch abbaubare Magnesium-Gadolinium-Legierungen dynamisch in 3D mittels Mikro-Computertomographie abgebildet.
So konnten die Spannungen im Knochen rund um die Implantate und die Knochenimplantat-stabilität experimentell visualisiert und quantitativ verglichen werden. Die Studie zeigt, dass Knochenmorphologie und Lastübertragung vom Implantat auf den Knochen stark materialabhängig sind. Insofern ist die Implantatstabilität eine Funktion unterschiedlicher Strukturparameter. Wir gehen daher davon aus, dass die Wahl des Materials für das Knochenimplantat der Zukunft nicht nur eine Wahl zwischen einem oder zwei Materialien sein wird, sondern genauso von der Form der Fraktur und der Knochengesundheit des Patienten abhängt.
Zum Artikel Bruns et al., Bioactive Materials 28 (2023):155-166 (engl.)
Darstellung der Knochenverformung, ermittelt aus einer Push-out-Sequenz. Die Farbe gibt das Ausmaß der Verformung an.
Die Auflösung: Magnesium für die Medizin
Bilder, Videos und weiterführende Links
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