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Offshore-Windfarmen schädlich für Miesmuscheln?

Forschungsteam untersucht in Labor-Experimenten mögliche Auswirkungen von Partikelemissionen

Rotorblätter von Offshore-Windparkanlagen unterliegen nach mehrjährigem Betrieb unter rauen Wetterbedingungen einer Degradation und Oberflächenerosion, was zu starken Partikelemissionen führt. Ein Forschungsteam unter Leitung des Alfred-Wegener-Instituts mit Beteiligung des Helmholtz-Zentrums Hereon hat die Auswirkungen dieser Partikel auf Miesmuscheln untersucht – eine Art, die auch für Aquakulturen in Windparks in Betracht gezogen wird. Die Muscheln nahmen im Experiment Metalle aus den Beschichtungen auf, so die Studie, die jüngst im Fachmagazin Science of the Total Environment erschien.

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Die Studie untersuchte Miesmuscheln in den Windparks. Bild: AWI/ Roland Krone

In einer laborbasierten Pilotstudie, die im Rahmen des PLEACH Projektes angesiedelt war, untersuchte ein Forschungsteam, inwieweit der Abrieb von Rotorblättern die Physiologie von Miesmuscheln beeinträchtigt. Dazu wurde Material solcher Rotorblätter auf eine Partikelgröße feingemahlen, die im Nahrungsspektrum der Muscheln liegt. „Wir haben die Muscheln unterschiedlichen Konzentrationen dieser Partikel ausgesetzt und sie nach definierten Expositionszeiten beprobt“, erläutert Dr. Gisela Lannig, Projektleiterin der Studie und Ökophysiologin am Alfred-Wegener-Institut, Helmholtz-Zentrum für Polar- und Meeresforschung (AWI). Außerdem führten die Forschenden physiologische Messungen zu Stoffwechseländerungen durch. Das Gewebe der Muscheln wurde anschließend im Labor des Helmholtz-Zentrums Hereon auf anorganische Zusatzstoffe, besonders auf die Metallbelastung hin untersucht. „Die besondere Herausforderung lag dabei vor allem darin, aus den recht kleinen verfügbaren Probenmengen ein Maximum an chemisch-analytischen Informationen zu erzielen“, sagt Dr. Daniel Pröfrock vom Hereon-Institut für Umweltchemie des Küstenraumes.

Auswirkungen auf die Art

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Hereon-Umweltchemiker Dr. Daniel Pröfrock bei der Probenahme an der Messstation Cuxhaven im Rahmen des PLEACH Projektes. Foto: Hereon/Ole Klein

„Unser Experiment beschreibt ein Worst-Case-Szenario, bei dem die Miesmuscheln bis zu 14 Tage lang einer hohen Partikel-Belastung ausgesetzt wurden. Die Muscheln zeigten eine mäßige bis starke Aufnahme von Metallen, insbesondere von Barium und Chrom“, berichtet Dr. Daria Bedulina, Ökophysiologin und Postdoktorandin am AWI. „Bei den physiologischen Untersuchungen ergab sich dabei kein eindeutiges Bild. Die Ergebnisse zu Veränderungen im Stoffwechsel der Muscheln weisen jedoch auf eine mögliche kurzfristige Auswirkung auf das neuroendokrine System und den Aminosäurestoffwechsel hin. Deswegen sind weiterführende Studien, vor allem hinsichtlich langfristiger Auswirkungen auf Muscheln, dringend nötig.“

An der Veröffentlichung wirkten neben dem AWI und dem Hereon auch Forschende vom Fraunhofer-Institut für Windenergieanlagen (IWES) mit, die das Material von den Rotorblättern zur Verfügung stellten und ihre Expertise zur Menge des erodierten Materials einbrachten. Die Ergebnisse der Fachleute zeigen, dass Offshore-Windparks neue anthropogene Belastungen für die Meeresumwelt mit sich bringen. Die Polymerpartikelemissionen von Rotorblättern durch Degradation und Oberflächenerosion aus den Beschichtungen und Kernmaterialien der Rotorblätter in die Umwelt sind laut der Studie nicht zu unterschätzen. Muscheln wie die aktuell untersuchte Miesmuschel spielen eine entscheidende Rolle in den Küstenökosystemen. Muschelbänke bieten unter anderem Lebensraum und Brutstätte für eine Vielzahl von Meerestieren, fördern die Biodiversität und tragen als Filtrierer zum Erhalt der Wasserqualität bei. Sie können Mikroplastik und Schadstoffe in ihren Geweben anreichern.

Folgen für mögliche Aquakulturen?

„Im Hinblick auf die Mehrfachnutzung in Offshore-Windparks zur Muschelzucht für den menschlichen Verzehr ist eine umfassende Untersuchung wie die Kombination aus definierten Laborexperimenten und Felduntersuchung dringend nötig, um mögliche Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit sicher ausschließen zu können,“ erläutert Gisela Lannig. Jedoch sei die aktuelle Pilotstudie weit davon entfernt, ein umfassendes und zuverlässiges Verständnis der potenziellen Risiken von Offshore-Windfarmen in der Meeresumwelt zu liefern. Um dies zu erreichen, sind weitere umfassende Kurz- und Langzeitstudien und ein integrativer Ansatz erforderlich, bei dem Parameter auf verschiedenen biologischen Ebenen und Lebensstadien untersucht werden. Dies ist im Hinblick auf den notwendigen und wünschenswerten Ausbau der erneuerbaren Energien und die Mehrfachnutzung in Offshore-Windparks für die Aquakultur dringend erforderlich.

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Kontakt


Dr. Daniel Pröfrock

Wissenschaftler

Institut für Umweltchemie des Küstenraumes

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Christoph Wöhrle

Wissenschaftsredakteur

Kommunikation und Medien

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