Zusammen forscht sich’s besser
Die Laborbesuche von Francesca Toma (links) und Nina Gray sorgten für ein breiteres Verständnis der Hereon-Forschung. Foto: Hereon/ Sascha Kilmer
Als Dr. Annette „Nina“ Gray den zweiten Fuß aus dem Taxi gesetzt hat, wirkt sie sofort präsent. Ihre Stimme herzlich, der Händedruck fest. Erst gestern ist ihr Flugzeug gelandet. Doch wenn andere noch über einen Jetlag jammern, nimmt sie die ersten Termine wahr. Sie ist an der New York University (NYU) stellvertretende Prorektorin für Forschungsplanung und -analyse, also eine der wichtigsten Vertreterinnen der Forschungsverwaltung an einer der bekanntesten US-amerikanischen Hochschulen.
Die Förderung des Dialogs zwischen Wissenschaft und Gesellschaft für den Erhalt einer lebenswerten Welt - das ist der Leitgedanke, der sie letzte Woche nach Berlin zur Teilnahme an der Konferenz „Falling Walls Science Summit“ geführt hat. Und da liegt es nahe, dass sie den Austausch mit wichtigen Forschungsinstitution in der Region Berlin-Brandenburg zum Beispiel zu Fragen der künftigen Energieversorgung, der nachhaltigen Ressourcennutzung oder auch der Entwicklung innovativer Therapien in der medizinischen Versorgung sucht.
Prof. Francesca Toma, Leiterin des Hereon-Instituts für Funktionale Materialien für Nachhaltigkeit lud Nina Gray zuerst an den Forschungscampus in Teltow ein und verbrachte den Nachmittag mit ihr zusammen am Campus Adlershof des Helmholtz-Zentrums Berlin. Beide Wissenschaftlerinnen hatten an diesem Tag die Gelegenheit, sich kennenzulernen und ihre Erfahrungen auch im Vergleich der Forschungslandschaften Deutschland und USA auszutauschen. „War Deutschland ein Kulturschock für Sie?“ will Dr. Gray wissen. Francesca Toma kennt beide Welten, hat sie doch ihre Karriere als wissenschaftliche Führungsfigur an Eliteinstitutionen wie die Universität Berkeley und Lawrence Berkeley National Lab vorangebracht, bevor sie vor rund einem Jahr zum Hereon kam. „Ich sehe Deutschland und Helmholtz als eine große Chance für mich. Hier ist ein stabiles Forschungsumfeld mit auf Jahre hin gesicherten Mitteln, die ich fest einplanen kann. Der Standort in Teltow hier soll wachsen“, sagt Toma. In diesem Moment ist ihre Zielstrebigkeit spürbar.
Als Einstieg der Institutsführung wird mit ein paar Folien zum Hereon Forschungszentrum gestartet. Was auffällt: Nina Gray, die auf der Suche nach neuen Kooperationspartnern ist, fragt während der Präsentation immer wieder nach und macht sich Notizen auf ihrem Tablet. „Wie hoch ist euer Anteil an Doktorandeninnen und Doktoranten?“ „Wie funktioniert in Deutschland das System von Befristungen von Arbeitsverträgen in der Wissenschaft?“ „Wie teuer sind Immobilien im Großraum Berlin-Brandenburg?“ Manches kennt sie von zuhause, andere Dinge scheinen sie zu überraschen, wie etwa, dass das Hereon zu 90 Prozent mit staatlicher Finanzierung ausgestattet ist. „Diese Planbarkeit ist eine großartige Sache.“
Dr. Gray war in vielen Jobs in Forschung und vor allem in der akademischen Verwaltung angestellt, etwa bei der New York Academy of Sciences, am Neuroscience Institute der NYU Langone, wo sie als Executive Director des Instituts tätig war. Sie war stellvertretende Dekanin für die Wissenschaften und geschäftsführende Direktorin des Advanced Science Research Center am CUNY Graduate Center. In ihrer jetzigen Funktion arbeitet sie eng mit akademischen und administrativen Führungskräften an den drei Standorten und 18 Schulen der NYU zusammen, um die Forschung und die Zusammenarbeit auch über Landesgrenzen hinweg zu fördern. Daher betont sie immer wieder, wie wichtig die interdisziplinäre Kooperation von der Grundlagen- bis zur anwendungsbezogenen Wissenschaft ist.
Und dann geht es in die Labore, die Francesca Toma ihrem Gast zeigen möchte. Nina Gray, von Haus aus Neuro-Wissenschaftlerin, fragt auch hier immer wieder nach, zum Beispiel als sie den vielseitigen 3D-Druck gezeigt bekommt oder Forschungsroboter ansieht.
Besonders lange verweilen die beiden Wissenschaftlerinnenbei ihrem Rundgang im zweiten besuchten Labor. Hier forschen Hereon-Mitarbeitende an neuartigen Okkludern. Okkluder werden ins Herz transplantiert, um Schlaganfällen in Folge von Vorhofflimmern vorzubeugen. Doch wenn sie das Herzohr wie ein Pfropfen verschließen, bleiben oft Lücken. Die am Hereon entwickelten Okkluder sind deshalb flexibel, sie können ihre Größe gleich einer Kamerablende anpassen. Sie tragen winzige Polymer-Sensoren, die für einen perfekten Sitz sorgen. Aus dieser Forschung ist inzwischen das Start-Up Sensimply entstanden. „Erstaunlich“, meint Nina Gray, als sie einen Prototypen in Händen hält als sei er ein kostbares Geschenk. Im selben Labor bekommt sie auch den Echtzeit-3D-Druckprozess einer innovativen, vollständig recycelbaren Biomasse-Tinte zu sehen.
Nachhaltige und funktionale Materialien – diese Forschung verfängt in Teltow. Und Nina Gray ist am Ende begeistert. Sie überlegt, wie die NYU in Deutschland expandieren könnte. „Wir werden uns weiter austauschen und genau an dem Punkt anknüpfen, an dem wir heute aufgehört haben“, sagt sie am Ende des Besuchs, der sich für alle Seiten gelohnt hat. Der Fokus auf Nachhaltigkeit und anwendungsorientierte Forschung, der eine Brücke zwischen Grundlagenforschung und technologischer Anwendung schlägt, scheint für Hereon eine Gelegenheit zu sein, eine neue Partnerschaft und Ausbildung gemeinsamer Studenten mit der NYU zu entwickeln. Weitere aufregende Entwicklungen stehen bevor. Die Energie war richtig eingesetzt. Für einen Jetlag ist gerade einfach keine Zeit.
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