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Die Abschaltung des Forschungsreaktors FRG-1 und neue Perspektiven für die Materialforschung

Nach über 50 erfolgreichen Jahren wurde heute der Forschungsreaktor FRG-1 des GKSS-Forschungszentrum Geesthacht im Rahmen eines Festkolloquiums endgültig offiziell abgeschaltet. Gleichzeitig gründet GKSS das „German Engineering Materials Science Center“ und setzt so seine Materialforschung mithilfe von Neutronen- und Synchrotronstrahlung am FRM-2 in München und am DESY in Hamburg fort.

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Der Blick auf eine Neutronenquelle. Die Forschung mit Neutronen in Deutschland wird derzeit neu strukturiert und an wenigen Standorten gebündelt. Foto: HZG

Die Forschung mit Neutronen in Deutschland wird derzeit neu strukturiert und an wenigen Standorten gebündelt. Dies birgt im Wesentlichen zwei Vorteile: Zum einen wird der Austausch von wissenschaftlichem und technischem Know-how durch die Konzentration auf weniger Neutronenquellen intensiviert. Gleichzeitig werden durch die Abschaltung von Quellen wie dem FRG-1 Gelder frei, die zukünftig für andere Forschungsfelder oder hochwertige Messinstrumente eingesetzt werden können.

Das Innere sichtbar machen

Analyse von Proben mit einem Diffraktometer am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY)

Analyse von Proben mit einem Diffraktometer am Deutschen Elektronen Synchrotron (DESY). Foto: HZG/ Christian Schmid

Hochfestes Aluminium für den Rumpf eines Passagierflugzeuges, neue Implantatmaterialien für die Medizin oder moderne Metalllegierungen für die Wasserstoffspeicherung – all diesen Hightech-Werkstoffen ist eines gemeinsam: Um sie für ihren Einsatzweck maßschneidern zu können, müssen Ingenieure und Materialforscher möglichst viel über ihr „Innenleben“ wissen: Aus welchen Atomen bestehen die Werkstoffe, und enthalten sie feine Risse, Poren oder Fremdkörper? Antworten geben moderne Analyseverfahren, bei denen die Materialien mit intensivem Röntgenlicht (Synchrotronstrahlung) oder mit Neutronen bestrahlt werden und ähnlich zum Beispiel wie in der medizinischen Tomographie das Innere sichtbar gemacht wird.

Ursprünglich wurde der Forschungsreaktor in Geesthacht 1956 gebaut, um Alternativen zu herkömmlichen Energieressourcen für die zivile Schifffahrt zu erschließen. Das Forschungsschiff OTTO HAHN fuhr von 1968 bis 1979 störungsfrei mit einem von GKSS entwickelten nuklearen Antrieb. Als diese Arbeiten Ende der 70er Jahre abgeschlossen wurden, war der FRG-1 für die Geesthachter Materialwissenschaftler als Neutronenquelle ein unverzichtbares Werkzeug.

GKSS-Außenstellen in München und Hamburg

Halle PetraIII

In der neu entstandenen Halle des Beschleunigerrings Petra III am DESY in Hamburg entstehen derzeit neue Messplätze für die Forschung mit Synchrotronsrahlung. Foto: DESY

Bereits seit einigen Jahren nutzen die Materialforscher aus Geesthacht auch den Forschungsreaktor FRM-II in Garching bei München, der hohe Produktionsraten von Neutronen liefert. Und seit 2010 steht den GKSS-Wissenschaftlern am Forschungszentrum DESY in Hamburg PETRA-III zur Verfügung – eine der weltweit „hellsten“ Quellen für Synchrotronstrahlung.

An diesen Außenstellen betreibt GKSS seit mehreren Jahren eigene Messplätze. Um die Arbeit dort möglichst effektiv zu gestalten, hat GKSS ein neues Kompetenzzentrum ins Leben gerufen – das „German Engineering Materials Science Center“ GEMS.

Es bietet nicht nur GKSS-Wissenschaftlern sondern auch Experten aus der ganzen Welt einen einfachen, effektiven Zugang zu den einzigartigen Forschungsinstrumenten. „Schon heute sind wir voll ausgelastet und müssen bereits Anträge aus Wissenschaft und Industrie auf unsere Warteliste setzen. Es gibt einen regelrechten Run auf unsere neuen Anlagen“, erklärt Professor Andreas Schreyer, zuständiger Institutsleiter des Bereiches Werkstoffphysik am GKSS-Forschungszentrum Geesthacht.

Die neue Laserschweißanlage für Flugzeugbauteile.

Die neue Laserschweißanlage für Flugzeugbauteile. Foto: HZG

„Auch wenn der Forschungsreaktor FRG-1 in Geesthacht endgültig abgeschaltet wurde, bleibt Geesthacht ein wichtiger Standort für Spitzenforschung. Mit einer Vielzahl von Projekten „boomt“ unsere hiesige Material- und Küstenforschung“, erläutert Prof. Wolfgang Kaysser, wissenschaftlich-technischer Geschäftsführer des GKSS-Forschungszentrums. Im April dieses Jahres wurde in Geesthacht eine Laseranlage zur Untersuchung von Schweißverfahren von Flugzeugbauteilen eingeweiht.

Im Herbst eröffnet GKSS eine 7 Millionen Euro teure Gießwalzanlage, mit der die Verarbeitung von Leichtbaulegierungen für den Karrosseriebau auf Magnesiumbasis untersucht wird. Die Geesthachter Küstenforscher entwickeln derzeit ein Messsystem für die Nordsee sowie die arktischen Gewässer, um zum Beispiel das Auftreten von Algenblüten oder die Auswirkungen der Offshore-Windkraft genauer untersuchen zu können.

Nachbetriebsphase und Rückbau

Bis Ende Juni 2010 wird der Brennstoffvorrat in Geesthacht völlig aufgebraucht sein. Sämtliche verbrauchten Brennelemente des Forschungsreaktors gelangen wie bisher nach einer Abklingzeit von ca. 2 Jahren zum Uranlieferanten zurück in die USA.

Ab dem 1. Juli befindet sich der Forschungsreaktor in der so genannten Nachbetriebsphase. Der anschließende Rückbau ist ein gesetzlich genau geregeltes und überwachtes Verfahren, bei dem die Sicherheit im Vordergrund steht. Er wird etwa 150 Millionen Euro kosten. Die Finanzierung ist durch den Bund und die beteiligten Bundesländer sicher gestellt. Mit dem Abbau der Maschinenanlagen, Beton, Stahl etc. wird voraussichtlich nach Abstimmung des gesetzlichen Genehmigungsverfahrens in vier bis fünf Jahren begonnen werden. Abfälle, die nicht radioaktiv sind, werden konventionell entsorgt. Der Rest wird nach heutiger Planung zur Einlagerung an das Bundesendlager „Schacht Konrad“ abgegeben. Ziel des GKSS-Forschungszentrums ist die so genannte „Grüne Wiese“.

Die Versuchsgeräte des Forschungsreaktor FRG-1 in Geesthacht gehören heute zu den modernsten Messeinrichtungen Europas. Ein Teil des Instrumentariums der Geesthachter Materialforscher wird zukünftig an den GKSS-Außenstellen in München und Hamburg genutzt. Einige der Geräte werden von kooperierenden Forschungseinrichtungen in Delft in den Niederlanden und in St. Petersburg in Russland noch in diesem Jahr übernommen.

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