Legieren wie die Profis
Was macht eine gute Legierung aus und wie kann ich den Herstellungsprozess positiv beeinflussen? Mit diesen und ähnlichen Fragen haben sich Oberstufenschüler des Hansa- und Luisen-Gymnasiums Bergedorf im Rahmen eines MINT-Projekts am Helmholtz Zentrum Geesthacht (HZG) beschäftigt. Vor allem Praxis stand für die Jungforscher auf dem Programm. Der Auftrag: eine eigene Titan-Aluminium-Legierung zu entwickeln, die sowohl stabil, als auch biegsam ist.
Jannis Stange (16), Finya Wenzel (16) und Hanna Wich (16) präsentieren stolz ihre selbstgemachte Legierung. (v.l.n.r.). Foto: HZG
Eine Aufgabe mit Herausforderungen, weiß HZG-Werkstoffforscher und Leiter der Abteilung Metallphysik Prof. Dr. Florian Pyczak, der das MINT-Projekt koordiniert. Im Alltag erforscht Pyczak maßgeschneiderte Titan-Aluminium-Legierungen für den Einsatz in Motoren oder Flugzeugturbinen. „Legierungen zu entwickeln, erfordert Erfahrung, Fachkenntnisse und vor allem Zeit. Es ist nicht so, dass ich die Zutaten in die Maschine gebe und dann auf einen Kopf drücke und das Gewünschte kommt heraus“, so Pyczak.
Kuchen backen mit vielen Faktoren
Die Schüler beobachten gespannt wie ihre Legierung im Lichtbogenofen entsteht. Foto: HZG
Der Werkstoffforscher vergleicht den Vorgang eher mit Kuchen backen, wo viele Faktoren eine Rolle spielen. Als Basis, um den Teig überhaupt herstellen zu können, erwarben die Schüler während des MINT-Projekts materialwissenschaftliche Grundlagen. Unter anderem beschäftigten sie sich mit zentralen Fragen wie: Was passiert eigentlich auf der Atomebene, wenn sich Werkstoffe verformen und welchen Einfluss kann ich auf den Prozess durch die Wahl meiner Zutaten nehmen.
„ Legierungen können zum Beispiel stabiler werden, wenn ich größere Atome nutze oder wenn mir eine enge bzw. starke Verbindung der Atome gelingt“, erläutert Pyczak. Auch so genannte Ausscheidungen sind beim Legieren mitbestimmend. Sie entstehen, wenn sich die chemischen Elemente nicht oder nur teilweise mischen und kleine Einlagerungen – sogenannte Ausscheidungen oder Phasen – ausbilden. „Neue Phasen können schädlich sein, müssen es aber nicht“, verdeutlicht Physiker Pyczak die Komplexität des Themas.
Wie im Alltag die Wissenschaftler
Am Rasterelektronenmikroskop können sich die Jugendlichen das Gefüge der Legierung anschauen. Foto: HZG
Neben der Legierungsbasis bestehend aus Titan und Aluminium, konnten die Schüler zwischen weiteren neun typischen Legierungselementen wählen. Um sich dabei ein Bild von den jeweiligen Elementeigenschaften zu machen, griffen sie auf das Periodensystem zurück. Zusätzlich nutzen die Jugendlichen von den Wissenschaftlern bereitgestellte Phasendiagramme. Sie geben Auskunft darüber, inwieweit sich die Legierungskomponenten bei welcher Konzentration und Temperatur gut mischen oder nicht. „Das klingt jetzt durchaus kompliziert, aber wir wollen den Schülern einen praktischen Eindruck davon vermitteln, wie wir im Alltag arbeiten“, verdeutlicht Pyczak den Konzeptgedanken.
Im Anschluss an die technischen Vorüberlegungen ging es direkt in die Praxis. Ähnlich wie auch die Wissenschaftler im Alltag verschmolzen die Schüler mit einer Präzisionswage zusammengestellte Legierungszutaten in einem Lichtbogenofen. Danach untersuchten sie das Resultat unter dem Rasterelektronenmikroskop und testeten die Stabilität mit Hilfe von Druckversuchen.
„Wir haben einen richtigen Eindruck davon bekommen, wie die Wissenschaftler tagtäglich arbeiten“, sagt der 17-Jährige Jonathan Graumann. „Es war auch cool die Geräte zu bedienen“, ergänzt Monique Mangler (16).
„Wir hoffen natürlich, dass bei einigen Schülern der Funke der Begeisterung überspringt und sie die Inhalte in einem entsprechenden Studium vertiefen wollen, mit dem Ziel einen entsprechenden Beruf in der Wissenschaft oder Industrie zu ergreifen“, sagt Werkstoffforscher Pyczak.
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