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Amanda Barnard zu Besuch im Institut für Biomaterialforschung

Die berühmte Physikerin und Pionierin auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz im Interview

Amanda Barnard arbeitet als Chefwissenschaftlerin bei dem digitalen Forschungsnetzwerk Data61, das zur nationalen australischen Forschungsorganisation CSIRO gehört. CSIRO baut im Rahmen seiner „Future Science Platforms“ die Themen „Active Integrated Matter“ und „Artificial Intelligence and Machine Learning“ aus. Auf breiter Front setzt sich Data61 daher mit Digitalisierung auseinander.

Amanda Barnard und Journalist Frank Grotelüschen.

Das Interview wurde im Institut für Biomaterialforschung in Teltow aufgezeichnet. [Foto: HZG/Gesine Born]

Amanda Barnard leitet den Bereich Materialwissenschaften und setzt moderne Algorithmen in der Forschung ein, zum Beispiel selbstlernende Algorithmen. Die 47-jährige Physikerin gilt als Pionierin auf ihrem Gebiet und ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, darunter dem renommierten „Feynman Prize in Nanotechnology“ des Foresight Instituts. Im September besuchte Amanda Barnard das Institut für Biomaterialforschung in Teltow, um dort mit den Fachleuten über ihre Arbeiten und über künftige Kooperationen im Bereich multifunktionaler Polymere zu sprechen.

Amanda Barnard

Amanda Barnard ist mit zahlreichen Preisen ausgezeichnet worden, darunter dem renommierten „Feynman Prize in Nanotechnology“ des Foresight Instituts. [Foto: HZG/Gesine Born]

In den Materialwissenschaften geht es darum, neue Werkstoffe mit komplexen Eigenschaftsprofilen und mehreren integrierten Funktionen zu schaffen – zum Beispiel Materialien, die mit Sensoren oder katalytischen Fähigkeiten ausgestattet sind und mit Ihrer Umgebung spezifisch in Wechselwirkung treten können.

Schon lange spielen in diesem Feld Computersimulationen eine wichtige Rolle. Wie geht man bislang vor, und wie können Forscher solche Simulationen schlagkräftiger machen?

Amanda Barnard: Traditionell folgen Computersimulationen in den Materialwissenschaften einem deterministischen Ansatz: Ausgangspunkt ist eine Theorie, die man in ein Programm für einen Supercomputer umsetzt. Als Resultat erhält man dann Aussagen, die meist nur für ganz spezielle Bedingungen gelten. Um weitergehende Aussagen zu gewinnen, müssen wir das Spielchen dann wieder von vorne beginnen. Bei einem datengetriebenen Ansatz dagegen können wir, indem wir verschiedene Algorithmen auf einen Datensatz anwenden, Einsichten erlangen, die uns ansonsten verborgen blieben.

Ausgangspunkt des neuen Ansatzes sind also Daten. Geht es dabei vor allem um Messwerte aus Experimenten, oder lassen sich auch andere Typen von Daten dafür verwenden?

Amanda Barnard: Ein Vorteil ist, dass wir bei Data61 Hintergrundwissen zur Chemie und Physik von Materialien besitzen. Dadurch gelingt es uns, per Computer ausgehend von prediktiven Modellen aussagekräftige Datensätze zu generieren, an die man allein durch Experimente nie kommen würde. Aber natürlich nutzen wir auch Datensätze aus dem Labor, da diese die Komplexität der realen Welt einschließen.

Welche Herausforderungen sind damit verbunden? Worauf müssen Sie achten, damit zum Beispiel ein selbstlernender Algorithmus etwas Neues und Nützliches aus den Daten herauskitzeln?

Amanda Barnard: 80 Prozent unserer Zeit brauchen wir um sicherzustellen, dass die Daten wirklich korrekt sind. Das ist zwar ziemlich langweilig, aber unbedingt nötig. Denn selbstlernende Programme reagieren sehr empfindlich darauf, wenn etwas mit den Daten nicht stimmt oder irgendetwas fehlt. Eine weitere Herausforderung: In den Materialwissenschaften sind die Datensätze oft zu klein und unvollständig, als dass man einen Algorithmus darauf loslassen könnte. Um ihn letztlich doch anwenden zu können, mussten wir diverse Tricks entwickeln. Dass so etwas möglich ist, hätten die Erfinder des maschinellen Lernens wohl nie gedacht.

Computercodes

Künstliche Intelligenz und maschinekkes Lernen sind auch in der Wissenschaft Modebegriffe geworden. [Foto: Markus Spiske on Unsplash]

Welchen Nutzen kann maschinelles Lernen, kann künstliche Intelligenz für die Materialwissenschaften bringen? Können Sie ein Beispiel nennen?

Amanda Barnard: Gemeinsam mit der Universität von New South Wales ist es uns gelungen, die katalytische Aktivität von Nanopartikeln vorherzusagen, die aus zwei verschiedenen Metallen bestehen. Dabei haben wir experimentelle Daten mit synthetischen Datensätzen aus dem Supercomputer kombiniert. Diese Kombination verschaffte uns eine deutlich größere Datenbasis für unsere Algorithmen. Damit konnten wir herausfinden, welche Arten von Nanoteilchen sich besonders als Katalysatoren eignen. In der Regel bestehen solche Teilchen aus teuren und seltenen Metallen wie Platin oder Palladium. Durch unsere Forschung lässt sich der Gehalt an diesen Metallen reduzieren und damit der Preis senken.

Schlagworte wie KI und maschinelles Lernen sind ausgesprochene Modebegriffe. Doch für viele klingen sie nach wie vor mysteriös oder sogar beängstigend.

Amanda Barnard: Ich finde das überhaupt nicht mysteriös oder beängstigend, sondern sehr aufregend. Die Methoden der künstlichen Intelligenz nehmen uns bestimmte Aufgaben ab. Sie ersetzen keine wissenschaftlichen Kenntnisse, sondern geben uns Hinweise, wie wir am effektivsten vorgehen können. KI ersetzt die heutigen Methoden nicht, sondern ergänzt sie und stellt ein neues Werkzeug dar, das wir vorher nicht zu Verfügung hatten.

Und wie steht die Fachwelt den neuen Möglichkeiten gegenüber? Offen oder doch eher skeptisch?

Amanda Barnard: Ich denke, da gibt es noch einige Skepsis. Auf Konferenzen ist KI im Moment ein aktuelles Thema, aber ich bin nicht sicher, ob sich jeder auf diese neuen Ansätze einlassen will. Doch ich glaube, dass wir in die richtige Richtung steuern. Gerade junge Wissenschaftler spielen dabei eine wichtige Rolle. Sie sind neuen Idee gegenüber offen und werden ihre Professoren über kurz oder lang davon überzeugen. Deshalb rechne ich damit, dass wir bald eine größere Akzeptanz erfahren werden.

Amanda Barnard und Journalist Frank Grotelüschen.

Das Interview mit Amanda Barnard führte der Journalist Frank Grotelüschen. [Foto: HZG/ Gesine Born]

Welche Rolle könnten die Methoden der KI in zehn Jahren in den Materialwissenschaften spielen? Was wäre da Ihre Hoffnung?

Amanda Barnard: Das kann ich nicht voraussagen – und es wäre auch langweilig, wenn ich es könnte. Stattdessen hoffe ich, dass mich die Zukunft noch oft überrascht. Aber ich erwarte, dass das datengetriebene Design von Materialien künftig in den Labors der Welt zum Alltag gehört. Der größte Vorteil wird darin liegen, Sackgassen in der Forschung zu vermeiden, indem die KI uns Hinweise gibt, welche Experimente man am besten macht. Das würde viel Zeit und Geld sparen.

Bislang haben Sie sich vor allem der Nanotechnologie beschäftigt. Würden Sie Ihr Themenspektrum gerne ausweiten, vielleicht gemeinsam mit dem Institut für Biomaterialforschung in Teltow?

Amanda Barnard: Ja, wir sind sehr daran interessiert, uns mehr mit multifunktionalen Polymeren zu beschäftigen. Und ich freue mich auf die Gelegenheit, mit dem Helmholtz-Zentrum Geesthacht insbesondere im Bereich abbaubarer Polymere für die Medizin und künstlicher Muskeln für die Robotics zusammen zu arbeiten. Wir sind dazu intensiv im Gespräch.

Vielen Dank für das Gespräch.

Kontakt


Dr. Fraeya Whiffin

Wissenschaftliche Koordinatorin / Scientific Coordinator

Tel: +49 (0) 3328-352-278

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Zentrum für Material und Küstenforschung
- Institut für Biomaterialforschung -
Kantstr. 55
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